Köck, Thomas
antigone. ein requiem
(τύφλωσίς, I) eine rekomposition nach Sophokles
Sprechtheater
Schauspiel
Besetzung:
4D,
3H
Besetzungshinweis: 1 Chor
Aufführungsgeschichte:
UA: 26.10.2019, Staatstheater Hannover
Regie: Marie Bues
In TTX seit: 05.09.2019
Wessen Tote sind das? An die Strände der Stadt werden Leichen gespült, dorthin, wo die BürgerInnen sich sonst sonnen, Selfies schießen. Nicht der tote Bruder steht im Zentrum dieser »Rekomposition«, sondern zahllose, unverwandte, anonyme, fremde Körper. Und der Chor in Thomas Köcks antigone (ein requiem) fragt sich angesichts der aufgequollenen Leiber, wen diese Toten etwas angehen. Etwa ihn selbst, die BürgerInnen der Stadt, oder Kreon, den Herrscher? Das Fundament der heimischen Demokratie ist fragil und gebaut auf Steuererleichterungen für die Reichen, das weiß der Chor. Möglicherweise wird es einstürzen angesichts zu vieler fremder Leichen? Kreon zumindest will von ihnen nichts wissen, es sind nicht seine Toten. Aber Antigone fühlt sich verantwortlich: Sie packt die Körper aus den eilig herbeigeschafften Säcken und schleift sie in die Stadt. Die Diskussion um den Umgang mit den herangespülten Namenlosen, nicht Identifizierbaren, spaltet Theben.
In Thomas Köcks Bearbeitung des antiken Stoffes, die auf der Hölderlin‘schen Übersetzung des Dramas von Sophokles basiert, entwickelt sich der Konflikt zwischen Kreon und Antigone zu einem Diskurs über Menschenrechte, Werte, politische Praxis. Denn Kreon will von der eigenen Verantwortung an dem Schicksal dieser Toten, die scheinbar nicht die eigenen sein sollen, nichts wissen. Vielmehr steht ihm der Sinn nach einer neuen, neoliberal geprägten Zeit, die den Staat aus seiner sozialen Verantwortung entbindet und Macht bei Kreon bündelt. Der Alte Teiresias sieht allerdings eine ganz andere »neue Zeit«: »es / kommt eine neue zeit überhitzung / verwüstung steppenbildung es / kommt eine neue zeit.«
Wie Thomas Köck das antike Personal mit zeitgenössischer Bedeutung auflädt, ist mitreißend. Wie geht ein Staat mit Toten an den heimischen Stränden um, die scheinbar nicht die eigenen sind? Was taugt ein Frieden, der nur für die Bewohner eines Staates gelten soll, der für den Unfrieden vor den Staatsgrenzen keine Verantwortung übernehmen möchte? Diese Fragen kommen mit antigone aus einer anderen Zeit und sind relevant wie nie.
In Thomas Köcks Bearbeitung des antiken Stoffes, die auf der Hölderlin‘schen Übersetzung des Dramas von Sophokles basiert, entwickelt sich der Konflikt zwischen Kreon und Antigone zu einem Diskurs über Menschenrechte, Werte, politische Praxis. Denn Kreon will von der eigenen Verantwortung an dem Schicksal dieser Toten, die scheinbar nicht die eigenen sein sollen, nichts wissen. Vielmehr steht ihm der Sinn nach einer neuen, neoliberal geprägten Zeit, die den Staat aus seiner sozialen Verantwortung entbindet und Macht bei Kreon bündelt. Der Alte Teiresias sieht allerdings eine ganz andere »neue Zeit«: »es / kommt eine neue zeit überhitzung / verwüstung steppenbildung es / kommt eine neue zeit.«
Wie Thomas Köck das antike Personal mit zeitgenössischer Bedeutung auflädt, ist mitreißend. Wie geht ein Staat mit Toten an den heimischen Stränden um, die scheinbar nicht die eigenen sind? Was taugt ein Frieden, der nur für die Bewohner eines Staates gelten soll, der für den Unfrieden vor den Staatsgrenzen keine Verantwortung übernehmen möchte? Diese Fragen kommen mit antigone aus einer anderen Zeit und sind relevant wie nie.
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