Der elfte Gesang
Sprechtheater
Schauspiel
Besetzung:
7D,
13H
Besetzungshinweis: Chor
Publikation: in "Theater Theater 20/10 Odyssee Europa", Fischer Taschenbuch Bd. 18540. Erhältlich über den Buchhandel!
Aufführungsgeschichte:
UA: 27.02.2010, Regie Lisa Nielebock für das Schauspielhaus Bochum. Das Stück entstand als Auftragsarbeit für die Odyssee Europa im Rahmen der Kulturhauptstadt Europas Ruhr 2010
In TTX seit: 22.01.2010
Aber wer sagt, ob hier nicht alles vollkommen durcheinander gerät: Vielleicht ist der Blick eines Toten in die Zukunft nichts als die verzweifelte Rekonstruktion einer verlorenen Vergangenheit. Um ihren Tod zu begreifen, feiern die Toten das Leben. Jeder wiedergefundene Moment ist kostbar. Schön war die Zeit, sagt einer. Wann waren wir wirklich lebendig, wirklich wirklich lebendig.
Als ich mit dir die Straße lang gelaufen bin, Hand in Hand, hoffnungslos verliebt.
Lass uns tanzen.
Die Schatten der Unterwelt durchleben immer wieder die wichtigsten Momente ihres Lebens - aber welche Momente sind wichtig, welche unwichtig. Wer soll das am Ende eines Lebens entscheiden? Odysseus braucht den toten Seher Teiresias, um in die Zukunft zu blicken, aber die Toten brauchen Odysseus, um ihre Vergangenheit zu deuten. Sie versuchen verzweifelt, ihrer Vergangenheit einen Sinn zu geben.
Odysseus selbst kann keine Antworten geben, denn ihm selbst geht, zurückblickend auf die verlorene Zeit im Krieg und ausblickend auf die vor ihm liegenden Gefahren, der Sinn verloren. Er schnappt nach Luft. Wohin von hier noch aufbrechen? Aber es sammelten sich unzählige Scharen von Geistern mit grauenvollem Geschrei, und bleiches Entsetzen ergriff mich.
Roland Schimmelpfennig
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