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Molière

Die gelehrten Frauen
(Les femmes savantes)

Sprechtheater
Komödie

Übersetzer:in(nen): Kohlmayer, Rainer

Werkangaben: Komödie in 5 Akten
Dekorationshinweis: 1 Dekoration
Besetzung: 5D, 8H

Bstnr/Signatur: 539

In TTX seit: 30.08.2004

Molière zählte "Die gelehrten Frauen" zu seinen Lieblingsstücken; an keiner seiner Verskomödien hat er länger gearbeitet und gefeilt. Es ist in jeder Hinsicht ein besonders reiches Stück: Reich an modernem Konfliktstoff (die geistige Emanzipation der Frau als Zerstörung der traditionellen Ehe und Familie); reich an satirischem Biss (die Entlarvung der Eitelkeit von Literaten und Gelehrten, die Aufdeckung scheinheilig getarnter Geldheirats-Spekulation); reich an psychologischem Tiefgang und an differenziertester Charakterkomik (die Beziehungen zwischen dem ungleichen Elternpaar, zwischen Eltern und Kindern, zwischen den unterschiedlichen Schwestern); einfallsreich in den überraschenden Winkelzügen der Handlung und im Ausreizen des abgründig-komödiantischen Potentials jeder Rolle, glänzend im Witz und in der schonungslosen Härte und Präzision der Sprache. Gewiss wollte Molière - entsprechend dem Titel der Komödie - ursprünglich vor allem gegen die literarische Anmaßung gewisser Pariser Salonheldinnen und ihrer poetischen Schosshündchen polemisieren. Aber Molière schuf keine Karikaturen, sondern lebendige Menschen mit ihren Neurosen, Sehnsüchten, Aggressionen und narzisstischen Illusionen. In keinem anderen Molièrestück gibt es so viele schöne große Rollen auf einmal: Der schwadronierende Pantoffelheld Chrysale; die intellektuelle Powerfrau Philaminte; die überkandidelte Bélise mit ihren imaginären Amouren; die herzig-listige Henriette und ihre modern-feministische Schwester Armande; Clitandre, der junge Mann zwischen den Schwestern, der das Herz auf dem rechten Fleck hat; der süssliche Tartuffe-Vorläufer Trissotin; die deftige Köchin Martine usw.


Die Sprache der Figuren Molières ist fest an die Rhetorik des gereimten Alexandriners gebunden; der Reim ist, wenn nicht die Mutter des Molièreschen Sprachwitzes, so doch eine der unerlässlichen Ingredienzien seiner Dialogkunst. Es gehört zu den oft nachgeplapperten Ausreden leidenschafts- oder fantasieloser Molière-Verdeutscher, man könne im Deutschen keine dramatischen Alexandriner schreiben. Das ist purer Unsinn. Hier zum Beispiel die Anfangsverse:


"Armande. Wie, Schwester? Deinen Mädchennamen opferst du,
den stolzen Stand der Männerlosigkeit dazu,
und träumst womöglich gar von einem Hochzeitsfest?
Der dümmste Lebenslauf, der sich nur denken lässt?

Henriette. Ja, Schwester.

Armande. Gott! Wie lässt sich dieses "Ja" ertragen?

Ich traue meinen Ohren nicht! Ich bin erschlagen!

Henriette. Was regst du dich so auf über das Thema Ehe,
Schwester...?

Armande. O pfui!

Henriette. Wieso?

Armande. Ich sage "pfui" und "wehe"!
Kapierst du nicht, wie dieses Wort das Ohr erschreckt,
im Geist die unwürdigsten Vorstellungen weckt,
wie dir ein wüstes Bild ins Innerste eindringt,
wie die Gedankenwelt dabei in Schmutz versinkt?
Schaudert dir nicht davor? Du, meine Schwester, siehst
Die Folgen dieses Worts, ohne dass dich's verdrießt?"


Meine Übersetzung ist versgenau und vollständig (1778 Verse) und verwendet konsequent eine natürliche deutsche Gegenwartssprache; die Reime sollen nur wie nebenbei als zusätzliche elegante Sprachmusik empfunden werden. Zu meiner Übersetzungskonzeption gehört auch die Besonderheit, dass ich die individuellen Sprechweisen der Figuren, wie sie von Molière angedeutet werden, im Deutschen nachzuahmen suchte. So ist zum Beispiel Martines bäuerliche Sprache, die in allen bisherigen Fassungen sträflich vernachlässigt wurde, in meiner Übersetzung nicht zu überhören. Aber auch das individualsprachliche Profil aller anderen Figuren ist hier stärker herausgearbeitet (bzw. Molière nachgeahmt), als es bisher üblich war.


Eine Literaturübersetzung ist keine resignierend-archivierende Tätigkeit, sondern eine abenteuerliche Entdeckungsreise in einen fremden Text und in die eigene Sprache. Das Ziel einer Bühnenübersetzung ist die Performanz - die Wiedergeburt der lebendigen komödiantischen Mündlichkeit des Originals mit Hilfe der spezifischen Mittel der deutschen Sprache. Meine Übersetzung ist folglich zeilen- und satzgenau, wirkt aber auf denjenigen, der auch im Deutschen das strömende musikalische Parlando französischer Schauspieler erwartet, im Detail oft etwas härter und heftiger, aber auch pointierter und anschaulicher. Es ist ein deutscher Text, der die Aktualität des Stückes blankpoliert hat.


(Rainer Kohlmayer)


RAINER KOHLMAYER, Herausgeber der Zeitschrift "Die Schnake", Autor und Übersetzer von Theaterstücken, habilitierte sich 1995 mit einer Arbeit über die Rezeption von Oscar Wildes Komödien im deutschsprachigen Theater. Er gründete 1980 die Uni-Bühne Germersheim, rief 1998 das Forum LiteraturÜbersetzen GErmersheim ("FLÜGE") ins Leben und leitet die Fachgruppe Literatur- und Medienübersetzungen an der Universität Mainz. Rainer Kohlmayer hat zahlreiche satirische und kabarettistische Texte und Lieder geschrieben.

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