<
McDonagh, Martin

DIE BEAUTY QUEEN VON LEENANE
(The Beauty Queen of Leenane)

Sprechtheater
Schauspiel

Übersetzer:in(nen): Martin Molitor und Christian Seltmann

Werkangaben: Stück in 9 Szenen
Dekorationshinweis: 1 Dekoration
Besetzung: 2D, 2H

Zusatzinformation: Britische EA: 5.3.1996, Royal Court Theatre Upstairs, London
Bstnr/Signatur: 574

Aufführungsgeschichte:
UA: 31.1.1996, Druid Theatre Company, Galway
DSE: 20.12.1996, Schauspiel Essen

In TTX seit: 14.10.2006

"Wie eine ferne, düstere Ahnung erscheint der Schauplatz des Stücks. Nicht das wirkliche Irland, sondern eine literarisch-entworfene Vorhölle, ein Cottage am Rande eines selbst schon entlegenen Dorfes - die Frustration am Ende der Welt.
In einer überaus banalen Situation hocken die fast siebzigjährige Mag und ihre Tochter Maureen, eine unfreiwillige Jungfrau von vierzig Jahren, zusammen. Die Alte verbringt den Tag im Schaukelstuhl unter einem Berg grober Decken, darauf wartend, daß Maureen ihr Tee aufbrüht, einen klumpigen Brei mit dem bezeichnenden Namen "Complan" (to complain = sich beklagen) zusammenrührt oder sie mit Porridge füttert. Maureen putzt und arbeitet und ist an die Alte gefesselt, weil sie als übriggebliebene Jungfer nirgendwo erwünscht ist außer bei ihrer Mutter. Eine irische Variante der Jane Austen-Figuren. Marie Mullen in der Rolle der Maureen und Anna Manahan als ihre Mutter spielen diese klaustrophobische Situation so, daß der Zuschauer trotz allen Schreckens laut lacht.
Der Autor zieht das Publikum in den melodramatischen Plot und überrascht mit Wendungen, denen der Betrachter neugierig und ängstlich folgt. An einem der ansonsten immergleichen Tage schneit der junge Ray (höchst komisch dargestellt von Tom Murphy) herein, um Maureen zu einem Fest einzuladen. Er trifft aber nur die alte Mag an und bestellt die Einladung. Maureen kommt nach Hause. Misstrauisch geworden durch kleinste Veränderungen in der sonst so direkten, harten Brutalität der Sprache ihrer Mutter prügelt sie Rays Einladung förmlich aus Mag heraus. Maureens Besuch auf dem Fest verändert ihr Leben und das ihrer Mutter. Denn Maureen trifft Pato (Brian O'Byrne), Rays älteren Bruder, der eigentlich in England als Gastarbeiter lebt, weil es in Irland wenig Arbeit und in diesem Kaff schon gar keine gibt.
McDonagh umreißt in dieser Figur das Schicksal der Iren, wie es seit hunderten von Jahren typisch ist. Es folgt ein One-Night-Stand und am nächsten Morgen die Eskalation zwischen der lasziv auftrumpfenden Tochter und der angewidert-katholisch klammernden Mutter. Pato glaubt die Herberge der Nacht bei Tag in ein Irrenhaus verwandelt zu sehen. Das ist so falsch auch nicht, denn der Autor legt sein Stück zwischen Küchenrealismus und Totentanz an. Selten ist dem Zuschauer klar, welche der beiden Frauen lügt, die andere täuscht oder nur im unklaren läßt. Ebenso ergeht es den beiden männlichen Figuren.
Pato schreibt Maureen, als er schon einige Wochen zurück in London ist. Das sei nicht nur für eine Nacht, daß er sie Beauty Queen genannt hat, nicht nur leeres Gewäsch. Und nun habe sein Onkel ihm einen Job in Boston angeboten. Er gehe nach Amerika, ob Maureen mit ihm gehen wolle. Für einen kurzen Moment tut sich ein Fluchtweg für Maureen auf - von dem diese aber gar nichts erfährt, nie erfahren wird, denn die Mutter fängt den Brief ab und verbrennt ihn nach der Lektüre langsam Stück für Stück. In der Produktion unter der Regie von Garry Hynes spürt man, wie im Küchenherd mit dem Brief auch Maureens Träume verbrannt werden.
Mit Hilfe von schwersten Folterungen - Maureen verbrüht die Alte mit siedendem Öl - preßt sie ihrer Mutter das Geheimnis ab - und erschlägt sie schließlich mit dem Schürhaken. Nach der Beerdigung eigentlich frei nach Amerika zu gehen, bleibt sie in dem alten Schaukelstuhl sitzen, weiß nicht, ob alles nur ein Traum war und wird die Stelle ihrer Mutter einnehmen.
Martin McDonagh versteht es, mit einer geschickten Mischung von Pinter-Elementen und Anklängen an Joe Orton, eine tragische Komödie mit melodramatischem Plot zu entwerfen. Die Sprache, die er seinen Figuren gibt, ist für einen so jungen Autor enorm ökonomisch und reich. Nie geschwätzig zeigt er vier Menschen, die ihre Situation schon fast akzeptiert haben, aber immer wieder an ihren Fesseln zerren.
Mit der Übernahme der Originalproduktion hat das Royal Court Theatre Upstairs einen Glücksgriff getan - das irische Englisch der Akteure bringt die Verwandtschaft des Londoner Autors zu seinen irischen Wurzeln zum Vorschein und weist unaufdringlich auf die auch durch die britische Unterdrückung entstandenen Probleme hin, die bis heute in Irland das Leben eines jeden einzelnen prägen." (Süddeutsche Zeitung)
"Eines der glücklichsten Debüts eines irischen Dramatikers in den letzten 25 Jahren." (The Irish Times)
"Ein Cottage auf der grünen Insel, irgendwo in der Einsamkeit. Ein Herd, ein Schaukelstuhl, eine Glotze, heruntergekommenes Mobiliar - eine alte Frau und ihre sitzengebliebene Tochter im Wohnküchenkrieg. Den verzweifelten letzten Versuch Maureens, einen Mann zu ergattern und fortzukommen, vereitelt Mutter Mag, indem sie den Liebesbrief des Auserwählten abfängt und verbrennt. Worauf die Tochter die Mutter umstandslos mit dem Schürhaken erschlägt." (Der Tagesspiegel)

Wenn Sie sich als Nutzer registrieren, können Sie hier online Ansichtsexemplare beim Verlag anfordern.


Vertrieb:

Hartmann & Stauffacher GmbH Verlag für Theater, Fernsehen, Hörfunk und Film
Bismarckstr. 36
50672 Köln
Telefon: 0221 - 48 53 86
Telefax: 0221 - 51 54 02
versand@hsverlag.com
www.hsverlag.com
Mitglied im VDB

Verlagsportrait auf theatertexte.de
Bezugsbedingungen des Verlags