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Brasch, Thomas

Der Papiertiger

Sprechtheater
Schauspiel

Werkangaben: Montage für eine Gruppe von Spieler:innen und Musiker:innen
Besetzungshinweis: Besetzung variabel

Publikation: Spectaculum 26, 1977

Aufführungsgeschichte:
UA: The Austin Theatre, Austin/Texas 17.11.1976 Regie: Denis Schulz

In TTX seit: 27.03.2001

Thomas Braschs »Der Papiertiger« ist ein Zyklus aus Gedichten, Geschichten, Miniaturszenen, entstanden in Braschs letzten Jahren in der DDR, Texte wie Hahnenkopf wurden bereits in der DDR uraufgeführt (Jugendclub Weißensee, 1975, Regie: Thomas Brasch). Der Papiertiger ist ein Chor aus zehn Personen, ein Tier, »das nicht aus seiner Haut kann«. Die Textsammlung ist ein Umkreisen der Themen Ausbruch aus dem Kollektiv und Rückkehr dorthin, von verlorenen Illusionen, der Verweigerung von Herrschaft, Hoffnung. Mit dem Gedicht »Wie viele sind wir eigentlich noch« wurde Brasch zum Sprecher einer »traurigen Generation«, wie Brasch sie in einem »Gegenlied« zu »Papiertiger« selbst bezeichnete: »Wer sind wir eigentlich noch / Wollen wir gehen. Was wollen wir finden.« Eine Dramaturgie wie eine Nummernrevue. Dreißig Jahre nach Hitler, Mitte der 70er Jahre: Da ist einer, der hat zu Beginn das Maul aufgerissen und die anderen haben ihm zunächst zugehört. Später dann: »Jetzt können wir nur noch abwinken / Jetzt sehen wir seine lächerliche Fratze. / Mit dreißig Jahren sabbert er beim Trinken. / Mit dreißig Jahren hat er eine Glatze.« Oder die junge Frau: Zwei Jahre nach ihrer Hochzeit, zwei Jahre vor Veröffentlichung ihrer Dissertation »Klassenkampf und Soziologie«, ist ihre Ehe beendet. »Was nutzen mir die Grundzüge der Dialektik / Wenn es kalt wird in meinem biegsamen Körper«. In ihrem Kopf fallen die Quellen und Bestandteile der marxistischen Weltanschauung durcheinander und Tränen auf den Teppich. Da öffnet sich die Tür und die Ehe ist nicht aus: »Es beginnt ein Gespräch / über die objektive Notwendigkeit / der Auseinandersetzung.« »Hahnenkopf«, das balladenartige Gedicht mit einer Szenerie aus dem Bauernkrieg – 1975 uraufgeführt und erschienen in »Poesiealbum 89« –, war Braschs einzige Veröffentlichung in der DDR. Für Thomas Brasch war der Bauernkrieg der Beginn des deutschen Dilemmas, das »Fehlschlagen der einzigen Revolution in diesem Land«, wie er im März 1977 in einem Brief an seine Lektorin Elisabeth Borchers schrieb.

»Was ich habe, will ich nicht verlieren, aber
wo ich bin will ich nicht bleiben, aber
die ich liebe will ich nicht verlassen, aber
die ich kenne will ich nicht mehr sehen, aber
wo ich lebe, da will ich nicht sterben, aber
wo ich sterbe, da will ich nicht hin:
Bleiben will ich, wo ich nie gewesen bin.«

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