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Brasch, Thomas

Mercedes

Sprechtheater
Schauspiel

Werkangaben: Für Caspar L
Besetzung: 1D, 2H

Publikation: Spectaculum 38, 1984

Aufführungsgeschichte:
UA: Schauspielhaus Zürich 7.11.1983 Regie: Matthias Langhoff
DEA: Deutsches Schauspielhaus Hamburg 17.12.1983 Regie: Urs Troller

In TTX seit: 27.03.2001

Zwei junge Menschen begegnen einander auf der Straße. Sie sind arbeitslos, sie haben viel Zeit – zum Beispiel, um sich füreinander zu interessieren. Aber das Gespräch kommt nur schwer über den Austausch von angeödeten No-Future-Parolen hinaus. Über sich selbst wirklich reden können sie nur, wenn sie sich Rollen vorspielen, ein anderes Leben phantasieren. Der Mann, der sich Sakko nennt, weil seine Mutter ihn, eine fixe romantische Idee von Italien im Kopf, so nannte, träumt sich zurück in sein früheres Arbeitsleben: als er gebraucht wurde und Teil des Wirtschaftswachstums war. Die junge Frau, die sich Oi nennt, lebt ein Leben am Rande der Kriminalität, klaut Klamotten und Geld in der Sauna. Fast sieht es so aus, als gelänge es ihr, Sakko anzustecken, als würde auf dem Umweg über das immer enthemmtere Spiel für die beiden gestrandeten Menschen etwas möglich sein, was in der Realität nicht zustande kommt: Nähe.

»losigkeit« ist das Wort, das Thomas Brasch von Samuel Beckett für dieses Endspiel entlehnte, stellvertretend für Arbeitslosigkeit, Bindungslosigkeit, Lieblosigkeit. Für seine beiden Protagonisten erschafft er eine Sprache jenseits der Realität, eine aus dem Berliner Slang geborene Kunstsprache, die die beiden als Außenseiter in einem durch ihre Phantasie geschaffenen Raum skizziert. Der Mercedes ist das Erbe einer zu Geld gekommenen Elterngeneration, ein Symbol für Wohlstand, Glück und ein gelungenes Leben. Die Jugend hier steht an der Schwelle zu einer neuen Arbeitswelt, in der die Maschinen die Menschen ersetzt haben und ein drohender Atomkrieg jede Hoffnung auf eine gestaltbare Zukunft nimmt. Aus dem Wertesystem der Eltern sind sie herausgefallen. Was Thomas Brasch zu Beginn der 80er-Jahre beschrieb, ist noch immer gültig als Zeugnis einer ihrer Perspektiven entraubten jungen Generation. Erstaunlich, wie Brasch es vermag, mit dieser konzentrierten, existenzialistischen Versuchsanordnung gleichzeitig ein Sozialdrama zu erzählen.

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